Geschichte der Medizin

Marie-Louise Bourgeois

Frankreichs berühmteste Hebamme

Von Ernst Probst

Zu den bekanntesten Hebammen des 17. Jahrhunderts in Europa gehörte die Französin Marie-Louise Bourgeois (15631636). Zu ihrem Ruhm trug vor allem das von ihr verfasste Hebammenbuch bei, das 1608 in französischer und 1626 in deutscher Sprache erschien. Zahlreiche Ärzte bestätigten ihr nach der Lektüre dieses Werkes brieflich, sie hätten daraus großen Nutzen gezogen. Marie-Louise Bourgeois wurde 1563 als Tochter einer vornehmen Familie in Paris geboren. Als 20-Jährige heiratete sie den königlichen Armeechirurgen Martin Boursier. Ihr Mann war ein Schüler des Wundarztes Ambroise Paré (um 1510-1590) am Pariser Armenkrankenhaus Hôtel Dieu, von dem 1551 und 1573 zwei Abhandlungen über die Geburtshilfe veröffentlicht wurden.

Nach vierjähriger Ehe war Marie-Louise Bourgeois schon eine Witwe mit drei Kindern. Bevor sie sich entschloss, sich zur Hebamme ausbilden zu lassen, verdiente sie mehr schlecht als recht ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Stickereien. Ihre ersten Erfahrungen als Hebamme sammelte sie in den Armenvierteln von Paris, später bei Schwangeren des Großbürgertums. Bis 1609 trug sie 2000 von ihr geleitete Entbindungen in ihr Hebammenbuch ein. Bald genoss Marie-Louise Bourgeois einen so guten Ruf als Hebamme, dass die französische Königin Maria von Medici (1573-1642) sie an ihren Hof holte. Dort wirkte Marie-Louise an sieben Entbindungen der Königin mit. Ihr Honorar bei der Geburt eines Prinzen betrug 1000 Dukaten, für eine Prinzessin dagegen nur 600.

Auf einem Kupferstich, der die Geburt des Thronfolgers Ludwig XIII. (16011643) darstellt, präsentiert die Hebamme Marie-Louise Bourgeois den Neugeborenen dem Vater König Heinrich IV. (1553-1610) und weiteren Persönlichkeiten des Hofes. Bei diesem freudigen Ereignis hielten sich insgesamt 14 Personen in dem mit zahlreichen Polstermöbeln ausgestatteten Geburtszimmer auf.

Mit ihrem erwähnten Hebammenbuch löste Marie-Louise Bourgeois das von der ersten Ärztin Trotta (Trotula) von Salerno im elften Jahrhundert geschriebene Lehrbuch Über die Leiden der Frau vor, während und nach der Entbindung ab. Nach ihr brachten die englische Hebamme Jane Sharp das Werk Midwives Book (1671) und die deutsche Hebamme Justine Siegemundin (1636-1705) das Lehrbuch Die Kgl. Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehemutter (1690) heraus.

Schwere Zeiten erlebte Marie-Louise Bourgeois, als nach jahrzehntelanger Hebammentätigkeit eine ihrer Patientinnen, eine angesehene Hofdame, am Kindbettfieber starb. Dies hatte Angriffe und Verdächtigungen ihrer Kollegenschaft zur Folge, gegen die sie sich temperamentvoll wehrte. Die tüchtige französische Hebamme schrieb ihre Lebenserinnerungen in dem Buch Récit véritable de la naissance des Enfants de France (1625, deutsch: Wahre Erzählungen über die Geburt der Kinder Frankreichs). Zuvor war ihr dreibändiges Werk Observations diverses sur la stérilité (Betrachtungen zur Unfruchtbarkeit) erschienen, das 1626 eine Neuauflage erfuhr und lange Zeit ein wichtiges Handbuch bildete. 1636 starb Marie-Louise Bourgeois in Paris.

Die Biografie von Marie-Louise Bourgeois stammt aus dem Taschenbuch "Superfrauen 6 Medizin" von Ernst Probst und ist erhältlich bei www.verlagernstprobst.de



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